Konfliktresilienz im Team stärken - Interventionen und Anwendungsfälle aus der Systemik
Konflikte im Team werden oft als störend und unerwünscht betrachtet, aber in Wirklichkeit sind sie unvermeidlich und können sogar positiv für die Entwicklung einer starken Teamdynamik sein. Konflikte bringen unterschiedliche Perspektiven und Ideen hervor, fördern die Kreativität und bieten die Möglichkeit, bestehende Probleme zu überwinden. In diesem Artikel werde ich mich darauf konzentrieren, wie systemische Interventionen die Konfliktresilienz im Team stärken können, um so zu einer produktiven und gesunden Arbeitsumgebung beizutragen.
"Es sind nie die Tatsachen, die uns beunruhigen und ärgern, es sind immer unsere eigenen Bewertungen." - Marshall Rosenberg
Konflikte als Bestandteil für Entwicklung
Konflikte sind nicht zwangsläufig Anzeichen für eine schlechte Teamarbeit; sie können als Indikator für unterschiedliche Ansichten und Bedürfnisse innerhalb des Teams dienen. Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten ermöglicht es dem Team, seine Fähigkeiten zu verbessern und zusammenzuwachsen. Konfliktresilienz beinhaltet die Fähigkeit des Teams, Konflikte nicht nur zu bewältigen, sondern auch als Chance zur Weiterentwicklung zu nutzen.
1. Zirkuläres Fragen:
Zirkuläres Fragen ist eine Technik, die in der systemischen Therapie und Beratung verwendet wird. Bei dieser Fragetechnik werden Fragen gestellt, die dazu dienen, unterschiedliche Perspektiven auf eine bestimmte Situation oder ein Problem zu beleuchten. Der Fokus liegt darauf, die Dynamiken zwischen den beteiligten Personen oder Elementen zu verstehen, indem man die Sichtweisen und Beziehungen innerhalb des Systems erkundet.
Im Gegensatz zu linearen Fragen, die oft nach direkten Antworten suchen, sind zirkuläre Fragen offener gestaltet und fördern eine reflexive Betrachtung.
Beispiel:
Wenn jetzt eine völlig unbekannte Person hier zur Tür herein käme, wie würde diese Person die derzeitige Stimmungslage und die Beziehung zwischen den Kolleg*innen in Worte fassen und beschreiben?
Auf welche Weise hat dein Verhalten dazu beigetragen, dass sich die Situation so entwickelt hat? Was würde die andere Partei beschreiben?
Was denkt Person A darüber (bspw. ein/e Vorgesetzte/r, ein/e Kolleg/in aus einer anderen Abteilung usw.), wie ihr über die Zusammenarbeit und das Projekt redet?
Wie siehst du die Wechselwirkung zwischen deinen Entscheidungen und den Reaktionen der anderen Partei?
Wie könnte sich deine Sichtweise auf die Situation ändern, wenn du die Perspektive der anderen Partei besser verstehen würdest?
2. Externalisierung von Problemen:
Externalisierung bezieht sich auf einen Prozess, bei dem innere Gedanken, Emotionen oder Probleme in eine externe Form oder Darstellung gebracht werden. Dieser Ansatz zielt darauf ab, individuelle oder kollektive Schwierigkeiten zu externalisieren, um sie leichter zugänglich und beeinflussbar zu machen. In diesem Kontext werden Probleme nicht als feststehende Realitäten betrachtet, sondern als separate "Entitäten" oder Muster von Verhalten und Denken.
Um diesen Ansatz in Konfliktsituationen anzuwenden, könnte ein Workshop eine wertvolle Erfahrung sein, bei dem das Team eingeladen wird die Probleme visuell darzustellen – sei es durch Metaphern, Symbole oder andere kreative Ausdrucksformen (bspw. auf Miro). Dies eröffnet zunächst die Möglichkeit, den Konflikt von den individuellen Personen zu entkoppeln. Indem der Fokus auf die spezifischen Probleme oder Schwierigkeiten gerichtet wird, wird eine distanzierte Perspektive geschaffen. Dieser Schritt ist entscheidend, um die emotionalen Bindungen zu lösen und eine objektivere Betrachtung zu ermöglichen.
Die Systemtheorie fungiert dabei als Wegweiser, um die komplexen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Elementen zu verstehen. Indem diese Verbindungen erkannt werden, kann das Team die Fähigkeit erlangen, gezielt in das System einzugreifen und positive Veränderungen herbeizuführen.
Durch den Perspektivwechsel, wird nicht nur ein tieferes Verständnis innerhalb des Teams gestärkt, sondern auch Empathie gefördert. Die abschließende Phase des Workshops könnte sich darauf konzentrieren, die externalisierten Probleme in konkrete Handlungspläne und Lösungsansätze zu überführen. Indem der Konflikt in seine Bestandteile zerlegt wird, ist es möglich gezielt Strategien zu entwickeln, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Hierbei steht die kollektive Intelligenz und Kreativität des Teams im Mittelpunkt, um umfassende Lösungen zu generieren und Verabredungen zu treffen.
Das echte Gespräch bedeutet: aus dem Ich heraustreten und an die Tür des Du klopfen. - Albert Camus
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A. Einführung (ca. 15 Minuten):
1) Willkommen und Einführung: Begrüße die Teilnehmer herzlich und erkläre, dass der Workshop darauf abzielt, Konflikte durch die Linse der Externalisierung zu betrachten.
2) Warum Externalisierung?: Nenne ein kurzes Beispiel, wie die Externalisierung in einem Konflikt dazu beitragen könnte, Perspektiven zu ändern und Lösungen zu fördern.
B. Fallbeispiele und Brainstorming (ca. 30 Minuten):
1) Case Sharing: Teile ein einfaches Beispiel für einen Konflikt aus dem Alltag, z.B., wie unterschiedliche Teammitglieder auf eine Herausforderung reagieren.
2) Brainstorming: Fordere die Teilnehmer auf, Ideen zu sammeln, wie Externalisierung in diesem Fall angewendet werden könnte. Zum Beispiel: "Wie könnten Symbole oder Metaphern helfen, diesen Konflikt besser zu verstehen?"
C. Kreative Visualisierung (ca. 30 Minuten):
1) Künstlerische Entfaltung: Stelle Materialien wie Papier, Stifte und Symbole bereit. Bitte die Teilnehmer, den Konflikt kreativ zu visualisieren. Beispiel: "Stellt euch vor, euer Konflikt wäre ein Comic – wie sähe die erste Seite aus?"
2) Präsentation der Kunstwerke: Gruppen teilen ihre Kunstwerke und erklären, welche Aspekte des Konflikts sie betonen.
D. Gruppenarbeit (ca. 30 Minuten):
1) Analyse und Diskussion: Gruppen analysieren die präsentierten externalisierten Konflikte. Beispiel: "Wie hat die Darstellung des Konflikts eure Perspektive verändert?"
2) Lösungsansätze: Diskutiere, wie verschiedene Darstellungen zu unterschiedlichen Lösungsansätzen führen könnten.
E. Perspektivwechsel und Empathie (ca. 25 Minuten):
1) Übung zum Perspektivwechsel: Teilnehmer tauschen ihre externalisierten Konfliktdarstellungen und diskutieren dann, wie sich der Perspektivwechsel anfühlt.
2) Empathie-Übungen: Beispiele könnten kurze Rollenspiele sein, in denen die Teilnehmer die Position der anderen Konfliktpartei einnehmen.
F. Lösungsorientierte Gruppenarbeit (ca. 30 Minuten):
1) Entwicklung von Handlungsplänen: Gruppen entwickeln konkrete Handlungspläne auf Basis ihrer externalisierten Konflikte. Beispiel: "Was wären die nächsten drei Schritte, um diesen Konflikt anzugehen?"
2) Präsentation der Lösungsansätze: Jede Gruppe stellt ihre Handlungspläne vor, gefolgt von einer kurzen Diskussion und möglichen Verbesserungsvorschlägen.
G. Abschluss und Ausblick (ca. 20 Minuten):
1) Reflexion: Teilnehmer reflektieren kurz über ihre Erfahrungen und überlegen, wie sie die Externalisierung in ihren eigenen Kontexten anwenden könnten. Beispiel: "Wie könnte diese Methode in eurem Team angewendet werden?"
2) Zusammenfassung: Fasse die wichtigsten Erkenntnisse zusammen, z.B., wie Externalisierung die Sichtweise auf Konflikte verändern kann.
3) Ausblick: Gib einen Ausblick darauf, wie die Teilnehmer die neu erworbenen Kenntnisse in der realen Welt nutzen können. Beispiel: "Welche Schritte könntet ihr morgen in euren Teams unternehmen?"
4) Follow up: Stell den Teilnehmern das Angebot zur Verfügung, dass es ein weiteres Treffen geben wird (bspw. 1 Monat später), um über die Erfahrungen und Erkenntnisse zu reflektieren und das Erlernte zu festigen.
3. Das Punctuation-Prinzip von Paul Watzlawick:
Paul Watzlawick, einer der einflussreichsten Kommunikationswissenschaftler des 20. Jahrhunderts, ist besonders für seine Arbeit im Bereich der Kommunikationstheorie und systemischen Therapie bekannt. Er war ein Mitbegründer der Palo-Alto-Gruppe, die bedeutende Beiträge zur Entwicklung der systemischen Therapie geleistet hat. Watzlawick betonte in seinen Arbeiten die Wichtigkeit der Kommunikation bei der Konstruktion der Realität und zeigte auf, wie Kommunikation nicht nur Information überträgt, sondern auch Beziehungen beeinflusst.
Ein zentrales Konzept von Watzlawick ist die "Axiomatik der Kommunikation", die grundlegende Prinzipien der zwischenmenschlichen Kommunikation beschreibt. Ein bekanntes Zitat von ihm lautet: "Man kann nicht nicht kommunizieren." Diese Aussage unterstreicht die Idee, dass jede Handlung, sei es verbal oder nonverbal, eine Form der Kommunikation ist.
Das Punctuation-Prinzip von Paul Watzlawick betont, dass Menschen in der Kommunikation Ereignisse "punktieren" oder interpretieren und dadurch den Verlauf von Interaktionen definieren. Mit anderen Worten, Menschen setzen den Anfang und das Ende von Kommunikationssequenzen, indem sie bestimmte Ereignisse als Ursachen und andere als Reaktionen interpretieren.
Das Punctuation-Prinzip unterstreicht, dass es keine objektive Realität gibt, sondern dass die Wahrnehmung und Interpretation von Ereignissen die Bedeutung in einer Beziehung formt. Es verdeutlicht, wie Menschen geneigt sind, Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu konstruieren, um Sinn in ihrer Kommunikation zu finden.
Der Glaube, es gebe nur eine Wirklichkeit, ist die gefährlichste Selbsttäuschung. - Paul Watzlawick
Ein Beispiel für das Punctuation-Prinzip könnte folgendermaßen aussehen: In einem Team gibt es eine Diskussion über die Aufteilung von Aufgaben, und ein Teammitglied empfindet die Anforderungen des Teamleiters als zu anspruchsvoll. Das Teammitglied "punktuiert" die Situation, indem es sagt, dass der Teamleiter zu hohe Erwartungen hat, was zu einem Gefühl von Überlastung führt. Der Teamleiter hingegen "punktuiert" die Situation, indem er sagt, dass das Teammitglied nicht genügend Anstrengungen unternimmt, was zu höheren Anforderungen führt.
Die unterschiedliche Punktuation kann zu Missverständnissen und Konflikten führen, da jede Partei die Ursache und Wirkung anders interpretiert. Das Punctuation-Prinzip unterstreicht die subjektive Natur der menschlichen Wahrnehmung und betont die Bedeutung, die Perspektiven anderer zu verstehen, um Kommunikation und zwischenmenschliche Beziehungen zu verbessern.
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Ziel der Übung: Die Teammitglieder sollen ihre unterschiedlichen Punktuationen in einer konkreten Konfliktsituation erkennen und verstehen, wie dies zu Missverständnissen führen kann.
1. Konkrete Konfliktsituation identifizieren:
Wähle eine vergangene Konfliktsituation im Team aus, die für die meisten Teammitglieder relevant ist. Es könnte sich um eine Meinungsverschiedenheit, eine Entscheidungsfindung oder ein Missverständnis handeln.
2. Einzelpersonen befragen:
Teile das Team in Kleingruppen auf und bitte jedes Teammitglied, die Konfliktsituation aus seiner/ihrer Sicht zu beschreiben. Welches Ereignis markierte den Anfang des Konflikts? Wie interpretierten sie die Reaktionen der anderen?
3. Vergleich der Perspektiven:
Lasse die Kleingruppen ihre Perspektiven vergleichen. Welche Unterschiede in der Punktuation gibt es? Wo sehen sie unterschiedliche Ursachen und Wirkungen?
4. Gemeinsame Reflexion:
Führe eine Gruppendiskussion durch, in der die unterschiedlichen Punktuationen besprochen werden. Betone, wie unterschiedliche Wahrnehmungen zu Konflikten führen können.
5. Entwicklung gemeinsamer Punktuation:
Bitte die Gruppe, gemeinsam eine alternative Punktuation für die Konfliktsituation zu entwickeln. Wie könnten die Ereignisse anders interpretiert werden, um zu einem gemeinsamen Verständnis zu gelangen?
6. Zukünftige Anwendung:
Schließe die Übung mit einer Diskussion darüber ab, wie die Erkenntnisse über das Punctuation-Prinzip in zukünftigen Konfliktsituationen genutzt werden kann. Betone die Bedeutung der offenen Kommunikation und des Verständnisses für verschiedene Perspektiven.
Diese Übung fördert das Bewusstsein für die individuellen Interpretationen von Ereignissen in einer Konfliktsituation und hilft dabei, gemeinsame Punktuationen zu entwickeln. Sie trägt dazu bei, Missverständnisse zu reduzieren und schafft die Grundlage für eine konstruktive Konfliktlösung im Team.
Bist du hellhörig geworden?
In meiner Arbeit als Coach & Trainerin unterstütze ich dich gerne dabei Teamdynamiken aufzudecken.