Das Leben wieder mit Farbe füllen: Eine systemische Beratungssession

Stimmen aus der Beratungspraxis …

Julia, 44 Jahre alt, betrat den Beratungsraum mit einem nachdenklichen Blick. „Ich habe das Gefühl, mein Leben steht still. Es ist, als würde ich in einem Film mitspielen, der immer wieder dasselbe zeigt. Um mich herum scheinen alle anderen spannende Dinge zu erleben, während mein Alltag einfach... leer bleibt.“ Julia fühlte sich gefangen in Monotonie und Vergleichen mit anderen. Sie hatte den Eindruck, dass sie keine neuen, erfüllenden Erfahrungen machte, und spürte eine Sehnsucht nach Lebendigkeit und Abenteuer.

Zum Schutz und in Absprache mit meinen Klienten werden Namen und persönliche Angaben verändert.

Das Ziel: Das Narrativ der Stagnation transformieren

Der Auftrag in dieser Beratung war, Julia zu helfen, die Geschichte, die sie über ihr Leben erzählt, neu zu gestalten. Ziel war es, ihre neugierige und abenteuerlustige Seite wieder zu entdecken und ihr zu zeigen, wie sie aktiv Momente der Freude und Abwechslung schaffen kann.

Der Ansatz: Narrative Methode – Die „Held:innenreise“

Um Julia zu unterstützen, wählte ich eine narrative Methode, die sich an der Idee der Held:innenreise orientiert. Diese Methode basiert auf der Annahme, dass Menschen ihre Erlebnisse oft in Form von Geschichten strukturieren. Indem Julia ihre aktuelle Geschichte neu erzählt und sich selbst als Heldin in einem Abenteuerrahmen sieht, kann sie eine kraftvolle, motivierende Perspektive entwickeln.

Die Held:innenreise: Eine neue Perspektive auf Julias Leben

1. Die Ausgangssituation: Das alte Narrativ erkennen

Zunächst reflektierten wir gemeinsam die Geschichte, die Julia sich über ihr Leben erzählte. Ihre aktuellen Gedanken lauteten: „Mein Leben ist langweilig. Ich stecke fest. Anderen passiert immer etwas Tolles, aber ich habe keine Möglichkeiten.“ Diese Geschichte betonte ihre empfundene Machtlosigkeit und ließ wenig Raum für Veränderungen.

Ich fragte Julia:

  • „Wenn dein Leben ein Buch wäre, welches Kapitel würdest du gerade lesen?“

  • „Was wäre der Titel dieses Kapitels?“

Julia antwortete: „Es wäre das Kapitel “In der Sackgasse”. Es fühlt sich an, als würde ich nicht vorwärts kommen, als gäbe es keinen anderen Ausweg.“

2. Die Heldin wird aktiv: Den Wendepunkt gestalten

Im nächsten Schritt lud ich Julia ein, sich selbst als Heldin vorzustellen, die in ihrer Geschichte einen Wendepunkt erlebt. Ich fragte:

  • „Was, wenn dieses Kapitel der Moment ist, in dem die Heldin erkennt, dass sie die Zügel in die Hand nehmen muss? Was könnte sie tun, um ihre Geschichte neu zu schreiben?“

Gemeinsam entwickelten wir die Vorstellung, dass Julia sich auf eine innere Reise begibt, um ihre Neugier und Abenteuerlust wiederzuentdecken. Sie überlegte, welche „Missionen“ sie angehen könnte, um aus ihrer Komfortzone auszubrechen.

3. Konkrete Missionen: Schritte auf der Reise

Wir definierten drei konkrete „Missionen“ für Julia, die leicht umzusetzen und zugleich aufregend waren:

  1. Die Mission der kleinen Abenteuer: Jeden Monat sollte Julia etwas tun, was sie noch nie gemacht hat – sei es ein neues Gericht, ein ungewöhnlicher Ausflug oder ein neues Hobby.

  2. Die Mission der Dankbarkeitsmomente: Jeden Abend sollte sie drei Momente aufschreiben, die ihren Tag besonders gemacht haben, um ihre Aufmerksamkeit auf die positiven Aspekte ihres Lebens zu lenken.

  3. Die Mission der neuen Begegnungen: Julia sollte gezielt neue Kontakte knüpfen, zum Beispiel durch Meetup-Gruppen, Events oder Netzwerke, um ihr soziales Umfeld zu erweitern.

Julia hatte dann die Hausaufgabe, für sich selber zu prüfen, welche Mission in ihrem Alltag integriert und eingeplant werden soll.

4. Die neue Geschichte schreiben

Am Ende der Session bat ich Julia, eine neue Version ihres Lebens als Heldinnengeschichte aufzuschreiben. Dabei war die Vorgabe, dass sie sich als aktive Gestalterin ihres Lebens darstellen sollte. Julia schrieb:
„Ich bin auf einer Reise, um das Leben wieder mit Freude und Abenteuern zu füllen. Ich bin neugierig darauf, neue Wege auszuprobieren, kleine Abenteuer zu erleben und Menschen zu begegnen, die meine Welt bereichern. Die Leere, die ich gespürt habe, war der Anfang einer Veränderung – der Moment, an dem ich aufgestanden bin und meine Geschichte selbst in die Hand genommen habe.“

Das Ergebnis der Beratung

Die narrative Methode half Julia, ihre Situation aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Anstatt sich als Opfer ihrer Umstände zu sehen, erkannte sie sich als aktive Heldin, die ihre Geschichte gestalten kann. Die klaren Missionen gaben ihr Struktur und Motivation, und die Übung des Umschreibens ihrer Geschichte stärkte ihr Gefühl von Eigenverantwortung und Gestaltungskraft.

Warum die narrative Methode so wirksam ist

Geschichten sind ein grundlegender Teil unserer Identität. Oft erzählen wir uns unbewusst Narrative, die uns einschränken. Die Arbeit mit narrativen Methoden ermöglicht es, diese Geschichten bewusst zu reflektieren und neu zu gestalten. Indem Julia ihre Geschichte umschrieb, konnte sie ihre Wahrnehmung verändern und sich selbst als aktive Gestalterin erleben.

Ein Fazit für alle, die das Gefühl von Stagnation kennen

Wie Julias Beispiel zeigt, können wir unser Leben oft schon mit kleinen Schritten in eine neue Richtung lenken. Es beginnt damit, die Geschichte, die wir uns selbst erzählen, zu hinterfragen und mutig neu zu schreiben. Denn am Ende sind wir nicht nur Zuschauer:innen, sondern die Held:innen unserer eigenen Geschichte.

Möchtest Du Deine Geschichte auch umschreiben und die Hauptrolle einnehmen?

In meiner Arbeit als Coach & systemische Beraterin unterstütze ich dich gerne dabei neue Strategien zu entwickeln.

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